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Das rechte Maß zwischen Verschwendung und Geiz finden

Als ich sieben Jahre alt war, kam ein Fernsehapparat ins Haus. Genau genommen wurde er geliefert und genau genommen hatten wir auch Haus, sondern eine Wohnung und genau genommen kam das Gerät in die Wohnung meiner Oma:  Zimmer, Küche, Kabinett und eine zufrieden Frau, die sich über das Gerät freute. Mittwoch, 15 Uhr, war Kasperl-Zeit, alle Kinder im Klausnerweg 3 und 1 durften kommen. Oma schenkte zum Fernsehvergnügen Himbeersaft aus, den verdünnte sie, je mehr Kinder anläuteten: „Frau Martin, dürfen wir ein bisschen Kasperl schauen!“

Ja, wir sagten „anläuten“ und nicht klingeln und „ein bisschen eine ganze Sendung schauen“ war Ausdruck guter Erziehung, vielleicht auch von Schüchternheit. So sind extrem verdünnter Himbeersaft  sowie Omas Kartoffelsuppe für mich Inbegriffe von Gemeinschaft und Teilen geworden. „Bei mir bekommt jeder eine warme Suppe!“, war ihr Gebot der Gastfreundschaft. Die Suppe reichte für genau so viele Menschen, wie bei ihr am Tisch saßen, war daher manchmal dicker – sämiger sagte Oma – und manchmal auch ein wenig dünner. Satt wurde man auch durch diese Sicherheit „es reicht für alle!“ im Zimmer-Küche-Kabinett-Kosmos im Klausnerweg in Lienz. Bei mir waren es Spaghetti, die für alle reichten: Da durften deine Tante und dein Papa Freunde mitbringen, die Nudeln reichten irgendwie immer. Spielzeug hatten deine Tante und dein Papa mehr als ich als Kind, in Fülle gab es für sie Bilderbücher, entweder aus der Bücherei oder gekauft. Viel konnte ich mir damals wirklich nicht leisten, aber den berühmten „Teller warme Suppe“ hatten wir immer. Für dich, liebe Enkeltochter, gibt es von allem genug und dafür sorgen deine Eltern. Sie sorgen auch dafür, dass es nicht zu viel ist, was du angeboten und geschenkt bekommst. Die Lebenskunst deiner Eltern besteht u. a. darin, zu dosieren: In der Fülle des Angebots, der Begeisterung von uns Großeltern für dich, bedeutet Maß zu halten etwas anderes als vor 60 Jahren. Geld war bei mir zuhause knapp: Mein Vater gab es zu gern aus und meine Mutter war das genaue Gegenteil, Ausgewogenheit im Ausgeben und Sparen lehrte mich meine Oma. Es war Omas Suppenschöpfer, der konstant dafür stand, dass wir genug zu essen haben. Ihr Kinder, liebe Enkeltochter, habt das Recht, zu sagen „Noch einmal! Noch einmal!“ Das ist beim Schaukeln so, das ist beim Vorlesen so, das ist bei jedem Spiel, das euch gefällt so. Es ist wie das Reingreifen in die Lebensfülle, du sitzt auf der Schaukel und schaust in den Himmel – Mama, Papa, Oma, Opa, noch einmal! Meine Oma sagte in den Monaten vor ihrem Tod manchmal „Noch ein Mal möchte ich meinen Hof daheim in Schlesien sehen!“ Ja, Zimmer-Küche-Kabinett hindern nicht daran, ein großer Mensch mit Träumen zu sein.